Cimarron bibliophil

LENA und das Paradies

Poetische Texte - 250 Seiten
Doppelband: Lena... und das Paradies/Was das wohl sein mag, was die Dichter sagen

 

Schön muß so ein Engel sein

Ja, ich weiß, es gibt noch
irgendwo eine Schöne,
irgendwo,
die am Morgen, vor dem
häßlichen Spektakel,
der uns doch nur immer neue
Wunden schlägt,
nach der Hand, der lieben,
einsam schielt.

Diese eine muß ein Engel sein.
Und ich glaube, daß sie nur
zum Schein alte Träume
überlebt,
die sie in Gedanken
weiterspinnt
für ein unberührtes, fernes
Paradies.
Wenn sie dann am Abend
heimgekehrt
sich erlöst zurücklehnt in die
Apathie ihrer Wünsche, stillen
Zaubereien,
hält sie immer noch die Hand
ausgestreckt,
und ihr Blick für alles Schöne,
alles Liebe in der Welt,
streift mich zwischen Venus und
Saturn.

Ja, es muß ein Engel sein,
der den alten Zauber neu
belebt,
nicht mehr die Legende weiterträgt,
die ein Faden ohne Ende ist,
den man nie verliert.

Schön muß so ein Engel sein,
der den Faden bricht und sich
verliert,
zwischen Venus und Saturn,
irgendwo in einem Nichts,
das auch ohne Sprache
überlebt.
   

   
Tigertraum im Zoo

Das Gitter hält den Blick der Augen,
das Gitter hält den Blick nicht aus.
Ein weiter Sprung, umsonst.
Worauf noch lauern.

Die Augen werden müde und der Körper auch.
Und wie die Enge, einmal überwunden,
zurückbleibt, ‘s ist ein Traum.

Das Gras berühren -
jetzt, im freien Lauf,
nur einmal noch
die Jagd zu Ende führen.

Die schwere Katze ruht sich wieder aus.
Es war ein langer, langer Lauf.
Wie schwer es ist, die Beute nachts zu schlagen.

Murmelspiel

Letztes Zusammensein mit einem
alten Freund, die Augen sind
geschlossen, und die Hände auch.
Sie sagen mir, wie schwer sein
Dienen war. So still war er sonst nie.
Als Kinder steckten wir die Welt
in Brand – und schienen unzertrennlich,
darüber lacht die Zeit.

Mein alter Freund, hier sehen wir
uns wieder, nach so langer Zeit.
Ich habe dir die Murmeln mitgebracht,
du weißt schon, die ich einst im Spiel
gewann, und wie versprochen lege ich
ein Bild aus unserer schönsten
Lebenszeit in deine Hand.
Du schweigst. Sag noch ein Wort. Wir
sind allein, der Pfarrer und die
andern warten schon.

Du willst zurück in unsere frühe Zeit!
Mein Freund, laß uns den schönen Weg
gemeinsam gehn, was hält uns davon
ab! Mit einem Sprung sind wir in der
Vergangenheit – und dieses Mal wird
es ein langes Spiel! Die Murmeln dafür
hab’ ich mitgebracht.
 

 
Der Junge, der sich nie verstecken kann

Er kam herangelaufen durch den Garten,
vom Nachbargrundstück her. Ich warf
den letzten Ball ins Netz, ein fremder Junge
lief an mir vorbei, einmal ums Haus, schnaufend
und ohne einen Blick für diese Welt.

Ich hielt ihn an. Es war, als wäre Marc
bei mir, der eigene Sohn. Doch dieser kleine
Junge tat mir leid; die Worte stolperten aus
ihm heraus, ein falscher Lebensmotor trieb
ihn an, und die Gedanken waren nicht zu Haus.

Ich führte ihn zur Straße, wo ein anderes Kind,
ein blondes Mädchen, ihn empfing. Sie war
nur halb so alt, und nahm ihn an die Hand.

Ihr Bruder drehte sich noch einmal um und
sagte mit verbogenem Gesicht: „Danke schön!“,
was dumpf und unbeholfen klang.

Und auch das Mädchen sah mich an, mit klarem Blick,
als wäre nichts geschehn. Sie wird für eine lange
Zeit sein Rettungsanker sein, und nur im Spiel
wird er die Welt verstehn.

Das goldene Band

Ich sagte ihr, daß uns ein goldenes
Band, das unsichtbar um uns
geschlungen ist, verbindet,
und daß die zärtlichen Gefühle
Botschaften des guten Willens sind,
was leichter uns die Zeit
ertragen läßt, in der wir
ganz vergessen haben, wer wir sind.

Das kommt nicht aus dem
Augenblick, es dauert
seine Zeit.
Wir lassen manchen Schmerz
zurück, und manche
Kränkung auch.
Das Zweisein ist nicht immer
unser größtes Glück.

Mein Engelchen, nach diesem
langen Weg, es gab auch
graue Tage, und Zeiten
voller Sonnenschein,
hat sich ein neues goldenes
Band um uns gelegt.
Es ist so stark, daß niemand
es zerreißen kann.
Es hält uns fest, solange wir
noch guten Willens sind.
Darin gefangen sein,
ist manchmal auch ein Trost.

 

 

An jedem Ort der Welt

Daß Julia lebt und Romeo,
zu schwören bei dem heil’gen Mond,
der silbern dieser Bäume Wipfel säumt,
in Kubas Altstadt, dem morbiden Ort
barocker Pracht, und New York City,
auch in Moskaus kalter Nacht,
und in Berlin am Bahnhof Zoo,
gibt jeder seinen Liebesschwur,
sein ganzes Glück dem andern hin.
Kein Kampf um’s Liebesglück,
und niemand trinkt das Gift.

Daß Julia lebt und Romeo,
und ihre Liebe mehr als alles andere
zählt, an jedem Ort der Welt…
ins Buch des herben Unglücks eingezeichnet,
ist nur die Not, beim Überlebenskampfe,
in Gaza-Stadt, und in Jerusalem,
im Innern Afrikas; an mancher Küste,
wo das Wasser droht, erleben wir in jedem
Augenblick das ganze Elend jungen Glücks,
der schönste Grund für unsere Menschlichkeit,
auf dem sich alles aufbaut, was uns trägt.
Daß Julia lebt und Romeo, verdanken wir
allein dem menschlichen Geschick.

 

 

Der Flügel eines Engels

So wie es immer war, wenn wir uns trafen…
lag sie in meinen Armen.
Das bunte Pferd, das an der Lampe hing,
sah uns beim Küssen zu – baumelnd hin und her.

Woher die schönen Farben kamen, im runden
Teppich, im Segel an der Wand, nicht weit vom
weichen Polster ihres Bettes, auf dem ihr Kleid lag,
der Flügel eines Engels, und ihr Slip.
So wie es immer war, wenn wir uns trafen…
umarmten wir uns auf den Knien, feingliedrig
waren ihre Arme, und die Haut verströmte eine
ungeahnte Süße. Wir liebten beide dieses Paradies.

Von solchen zarten Lippen… ergossen sich die
Küsse wie ein Trank auf meinen Mund, der
eins geworden war mit ihren Lippen, die zitternd,
ängstlich noch vibrierten, und dann, im Auf und Ab der
Lust, nach der Erfüllung suchten, was uns nie gelang.

So wie es immer war, wenn wir uns trafen…
lag sie in meinen Armen mit traumverlorenem Blick,
der soviel weiter sah, wovon ich nichts erahnte. Es war
nicht ihre Zeit, sie sehnte sich nach einer anderen zurück…,
so wie es immer war, wenn wir uns trafen.

 

 
Das große Glücksgefühl, das Lachen
nach dem Sieg, der zweifelhafte Spott,
womit man sich ja doch nur selbst betrügt,
erfahren und erlebt nach eigenen Taten –
und danach ist es still. Sieht so das Triumphieren aus?

Den anderen berührt es kaum, und manchmal
findet er es irreal.

Das ist wie jener sinnlos wiederholte Schrei
des kleinen Mädchens Lili, das nicht weiß, warum
sie ohne Sprache ist, und Worte lallt, und nicht
begreifen kann, was andere Kinder tun, die
ohne Mühe reden können, und wissen, was sie sagen –
im gleichen Hinterhof; nur manchmal häßlich
unterbrochen vom hilflos-grellen Schrei des
kleinen Mädchens, das niemals ihrer Mutter sagen
kann, wie schön die Kleider ihrer Puppe sind –
und was sie ihr erzählt, und auch verschweigt.

Verträgt sich Spott mit einem solchen Lied?
Da ist kein großes Glücksgefühl und auch
kein Lachen nach dem Sieg.

Lilis stummer Sieg
 

 

Der verhinderte Dichter

…wenn ein Dichter nicht zu Hause speisen will,
treibt er sich überall herum. Er redet viel, trinkt,
liebt und ißt – doch schreiben will er nicht.
Er kann es nicht, wenn er als Dichter nicht
zu Hause speisen will, er leidet und vergißt.

Bis er darüber schreibt, daß er, wenn er als Dichter
nicht zu Hause speisen will, auch nicht zum Schreiben
kommt, und das berührt ihn sehr, so sehr, daß er sich
ändern will. Vielleicht kann er als Dichter, der auch
gern zu Hause speist, ein anderer werden. Oder nicht!?

Das redet er sich ein, daß er als Dichter auch zu Hause
speisen kann – und dabei schreiben will, schreiben kann,
wie es sonst auch geschieht. Doch insgeheim sehnt er sich
schon zurück nach Speis & Trank in einem anderen Haus, auch
wenn er nicht zum Schreiben kommt, das hält er gerne aus.

Es ist ein Liebesdienst, das Schreiben für sich selbst.
Das wußte Martial. Er trug es bei sich, wie man Lust und Laune
trägt. Er ahnte ja, warum man schreibt, was seine Sache ist,
wenn auch das andere Ich nicht gern darüber spricht.
Was der Poet verschweigt, berührt ihn nicht.

 

 

Geliebt, gelacht, die Seele aufgetankt

Wir haben dich erobert, Augenblick der Lust,
und unsere Sinne tief darin versenkt.
Wir warten auf das Fest!

Der graue Alltag liegt weit hinter uns,
wir haben ihn noch nie vermißt. Wir sind
wie losgelöst von einem schweren Druck;
befreit von einer viel zu großen Last.
Was ist das nur für eine krumme Tour!
Hier die Bedrängnis, dort die freie Zeit,
in der wir unsere Wünsche froh hinausposaunen
können – und danach kaum erkennen, wer
wir wirklich sind.

Die lange Nacht durchwacht, vom Schlaf
so weit entfernt, geliebt, gelacht, die Seele
aufgetankt mit frischem Lebenselexier.
Gestärkt im Innern, sind wir viel zu spät
erwacht, und haben keine Träne nachgeweint
der alten Lebenslast.

Wir haben dich erobert, Augenblick der Lust,
und unsere Sinne tief darin versenkt.
Was war das für ein Fest!

 

 

Entdeckung einer kleinen Welt

Südlich von Ozeanien, im Wendekreis des Krebses,
durchpflügt ein Wesen den gewaltigen Wasserberg,
begleitet nur vom Sonnenlicht, das sich des Nachts
im Meer verborgen hält. Still ist sein Atem, kein
Segler hört den Ton, der ein Gesang ist, den man nie
vergißt, wenn seine Wellenweise unverhofft erklingt.
Das stört die Tümmler nicht, sie jagen weiter durch
Kanäle der Atolls, vorbei an grünen Inseln, und
manchmal landen sie in einem Archipel, getragen
von der Hoffnung, dem Wesen zu entfliehen,
das aus der dunklen Tief sich nach oben wühlt,
mit brodelnd weißer Glut, die fauchend, dampfend
durch das Wasser schießt, bis sich erfüllt, wonach
das Wesen sucht - ein neues Bild, das aus dem Abgrund
sich erhebt, und später einer Insel gleicht, allmählich
grün wird und verlockend schön - als wäre es das Paradies,
fest eingefügt für alle Zeit im Kontinent der Wasserwelt.

 

 

Das Pendant. Valerius Martialis.

In der Geborgenheit der Zeit sich vorzustellen, wie schön
es doch gewesen wär, mit dir, Gregori Latsch, viel früher

schon in Muße mit den Musen zu plaudern, wirklich zu leben,
nach dem Pendelschlag der Phantasie, nicht eingefügt im

Alltagstrott..., dann hätten wir uns manchen tristen Tag erspart,
und auch den Protz, die Eitelkeit von Zeitgenossen, die mit dem

Scheckbuch durch die Lande ziehn; nicht zu vergessen die
politischen Scharmützel auf den Straßen, einfach übersehen...,

stattdessen, und auch mit Gewinn, mit Martial, mit Seneca und
Plinius verkehrt, darüber nachgedacht, was das wohl sein mag,

was die Dichter sagen, wenn heute noch, 2010, ein alter Text
mit Ironie und Witz bezaubern kann...,

und promeniert an Sonnentagen, Wein genossen, vor der
Nacht mit ihr.

Und wenn die Hitze kam, aufs Land geflohen -
und unermüdlich nach dem schönsten Wort gesucht.

Das nachzuholen ist mir ein Vergnügen.
Der Sinn dafür ein Ärgernis und Wagnis wohl zu jeder Zeit.

LENA... und das Paradies - Band 4

Erstauflage

Die ersten sieben numerierten Ausgaben bleiben beim Team.

Reihe

Cimarron bibliophil, im Prägestempel vom Autor numeriert und signiert.

Buchumfang

250 Seiten

Text/handschriftl. Vermerke/Foto

Gregori Latsch, Cimarron-Team. Das Porträtfoto des Autors liegt in einer Transparenttasche, datiert und signiert.

Gestaltung/Satz/Laserdruck

Doris Hess, Cimarron-Team

Grafiken im Druck bzw. im Original auf dem Cover

Ralf Biskup, Cimarron-Team

Buchblock

A5-Format, von Hand gebunden.

Papier

Vorsatz Bütten. Innen verschiedene Büttenqualitäten, Fein- u. Transparentpapiere. Schmuckpapier (Zander, Hahnemühle etc.) von Fall zu Fall.

Besonderheit

a) Dieser Doppelband gehört neben den Büchern Nr. 2 u. 8 aus dieser Reihe zu der TRILOGIE des Herzens, der Liebe und der Vernunft.
b) Der Autor hat aus seinen zehn Bänden mit poetischen Texten eine endgültige Auswahl getroffen, die repräsentativ für dieses Genre sein soll. Dazu gehört der Band 14 dieser Reihe: Streifzug durch die Zeit, der die Balladen und Sonette des Autors enthält.
c) Um mit den wegweisenden Texten der poetischen Trilogie alle Literaturinteressierten zu erreichen, bemüht sich das Cimarron-Team, im Kontakt mit etablierten Verlagen, um eine Herausgabe der Trilogie für den Buchhandel. Siehe hierzu auch unsere Ausführungen in der Rubrik Preis für die bibliophilen Ausgaben!
d) Im Anhang gibt das Team bzw. der Autor in den Anmerkungen Auskunft über Zitate und den Entstehungsprozeß einiger Texte.
e) Jeder Band enthält neben dem normalen ein alphabetisches Inhaltsverzeichnis aller Titel.

Preis

Leinenausgabe 260,00 € - Lederausgabe 320,00 €
(incl. Mwst. u. freie Zusendung innerhalb Deutschlands).

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