Cimarron bibliophil
Streifzug durch die Zeit
Balladen - Sonette - Poetische Thesen - 156
Seiten
Holbeins Madonna
Madonna, edle Frau, Maria,
meine Herrin, dein Bildnis ist so wunderschön, seit 15/26 gibt es dich.
Was ist seither nicht alles schon geschehn!
Da ist ein altes Adelshaus in
unserem Land; es gibt sie immer noch. Raubritter, Feldherrn, Fürsten
handeln ungeniert mit schöner Kunst aus einer armen Zeit. Das höchste Angebot
befriedigt ihre Gier.
Und Künstler gab es auch, und Bauern, massenhaft,
geschröpft um ihren Zehnten, und körperlich fast immer ausgelaugt; kein
Prassen in den bunten Sälen, in denen einst Holbeins Madonna hing, die
Selige, die nun verhökert werden soll - für vierzig, sechzig, hundert
Millionen...
Ein Glück, daß sie die Grenzen unseres Landes nicht
verlassen darf, die heilige Frau. Fühlt sie sich wirklich wohl im Umfeld
einer solchen Kunstverdrossenheit? Ich kenne sie, sie wartet auf den nächsten
Bauernkrieg. Dann wird sie wieder wandern - und irgendwo in einer Hütte
landen, vielleicht bei einem Bauern, der nicht ein Schlüsselbild der
Kunstgeschichte in ihr sieht, und die symbolische Bedeutung von Holbeins Bild
auch nicht versteht. Und eigentlich ist er am liebsten auf dem Feld, wo man
den Wert des Lebens am eigenen Leibe spürt, und durch der Hände Arbeit
überlebt.
Der Mann auf den Barrikaden (Auszug)
"Jesus
war kein Revolutionär. Er war bestimmt vom Glauben. Er lebte für den
Glauben." Sagte Papst Johannes Paul II. in Puebla, in Südamerika.
Jesus war und ist ein Revolutionär. Er ist Asiate, Europäer, Afrikaner.
Er ist Südamerikaner. Er wird täglich gedemütigt, geschlagen,
gefoltert, verspottet, gekreuzigt. Er lebt in den Minen von Peru und
Bolivien. Auf den Haziendas als Tagelöhner. Er ist Campesino, ein
Hungernder. Er ist Indianer, ein Verzweifelter. Er ist Pater der Armen
und Vergessenen. Er stirbt als Kind an Unterernährung. Er krepiert am
Kreuze, aus Worten der Gleichgültigkeit gemacht, der Ungerechtigkeit,
der menschlichen Niedertracht.
Streifzug durch das Licht
- Sonett 6 (Auszug)
Die Jahre fressen sich in unseren Zeitenplan, als
hielte keine Stunde uns am Leben fest. Ein paar von uns, die glücklichen, sie
kommen an, die andern stolpern oder stürzen. ‘s ist ein großer Rest.
Und mancher glaubt, daß er die Zeit gepachtet hat und nach Belieben sie wie
Jahreszeiten wechseln kann. Was für ein Irrtum! Niemand wird von einem Leben
satt. Und unser Lebenskleid legt uns die Zeit nur einmal an.
Ballade von den viel zu späten Grafen und Baronen
(Auszug)
Und später kann man träumen; vielleicht, weil es nur einmal ist, das
Leben. Vom Zauberklang der vielen Worte, die so verheißungsvoll in unseren
Ohren klingen, sind wir noch ganz benommen. Wir könnten dauernd im
Girlanden-Meer und unter alten Bäumen wandeln. Und sähen gar nicht gern
zurück in all die Enge, die verdammte Pracht, die uns so kalt und nutzlos
macht, weil wir allein sind. An diesem Tag sind wir als Gast geladen. Und
unter lauter netten Menschen verbringen wir den Abend. Wir haben alle Last
vergessen. An einem Tag. Wir schließen unsere Herzen auf und atmen voll
den Sang von schönen Stunden und von Zärtlichkeiten, die uns näherbringen,
bei denen wir so gern verweilen. Wir schweigen, reden, tauschen Blicke aus.
Das Fest ist uns ans Herz gewachsen. Es ist schon später Abend.
Der König in den Bergen
(Auszug)
Ich kenne einen König in den Bergen, der träumt in jeder Nacht nur einen
Traum. Ich sitze ihm zur Rechten, bin sein Diener; und beide träumen wir
den gleichen Traum.
Er sieht wie ich die Tage sich eröffnen, daraus
die Klage, gleich der frischen Lava aus einem Bergeskegel dringt, sich über
alle Länder, alle Meere wälzt: Die Welt ist voller Sklaven! Herr König,
sprach ich, was die Freiheit hält, ist das der Glaube an die große Gnade?
Da hat der König seine Krone abgesetzt, und seinem Narren stellte er die
Frage: Glaubst du, mein Freund, an meine Gnade? Da hat der Narr die Kappe
abgezerrt und schlug sie seinem schlafenden Genossen auf die Schnauze.
Der aber döste und vergaß sein Leid. Da hat es mir in meiner Hand gejuckt.
Dem frechen Kerl hab’ ich so zugesetzt, daß erst in dunklen Kellern ich mich
wiederfand. Und draußen, auf den Stufen dummer Freiheit, erschien der Narr
und spuckte mir, dem Freien, ins Gesicht! Das Recht der Dummen tötet jede
Gnade.
Ballade von den sogenannten kleinen Hunden
(Auszug)
Sie sitzen in der Nacht auf
kalten Bänken, um der Musik des Regens zuzuhören. Sie stöbern gern in
Antiquariaten und suchen nach dem Wort der Wörter. Sie träumen schon am
Tage, wenn sie leben, und wenn sie schlafen, sind sie bunte Vögel, die sich
nach grünen Tälern sehnen. Sie sind so einsam in den großen Städten,
tagein, tagaus. Wie jene, die seit ungezählten Jahren den gleichen Weg,
die gleichen Straßen nehmen. Wie diese ihre täglichen Begierden stillen,
erheben jene immer schon die gleichen Fragen, die sich ums Menschsein
drehen. Nur Fragen, nichts als Fragen! Und manchmal, aus der Fülle ihres
Herzens, entdecken sie ein neues Bild vom Menschen - und seiner Lust am
Untergang.
Blitzkarriere
Den Arbeitseifer für seine Zwecke
dienlich gemacht. Die Strategie der Anpassung rechtzeitig entworfen.
Auf der Grundlage einer soliden Ausbildung weitergedacht. Aus kleinen
Anfängen große Ergebnisse erzielt. Beharrlich die eigenen
Wertvorstellungen zurückgehalten. Einzig der Ökonomie des Gewinnes
getraut. Dem guten Auskommen untereinander mißtraut.
Hineingeschliddert in die Welt der Arrivierten. Sozusagen von dem Zufall
der eigenen Konsequenz gezehrt, die glückliche Umstände erzielte.
Jetzt, auf der Spitze des Berges, das Land aus den Augen verlieren,
über den Wolken stehen. Ein guter Charakter sein. Ein Wunsch. Hier
oben scheint immer die Sonne. Angekommen - und doch abgestürzt.
Poetische Thesen
Die Waffe der Phantasie
Die Poeten haben das Gewissen der Freiheit im
Wort. Damit sind sie wichtige Träger der Vernunft.
Sie artikulieren
die Sehnsucht nach dem besseren Leben, sie erfinden Formen eines
unaufhaltsamen Wollens , das aus der Hoffnung kommt; sie durchkämmen die
Landschaft menschlicher Charaktere, auf der Suche nach dem großen Charakter,
sie sind Kinder der Masse, zur Individualität taugen sie nicht; ihre
Gedanken wollen siegen, weil sie ziellos sind, ihr Gedächtnis nimmt der Zeit
die Vergangenheit und übergibt sie der Zukunft.
Poeten sind einfache
Naturen. In einem versteckten Winkel ihrer Phantasie hocken ein paar
Mythen, die Erinnerungen wachrufen an alte Freunde, liebe, aber vergessene
Träumer. Ja, es sind eigentlich Träume, die sie weitergeben. Sogar im
Realen sind sie den Realisten voraus. Jene, die die Zukunft planen, haben
selten gelernt, die Gegenwart zu bewältigen. Die poetische Phantasie
kann keine Brote backen, Dürstenden kein Wasser reichen, den Himmel
nicht zur Verantwortung ziehen für seinen Gleichmut gegenüber der
Menschlichkeit.
Die poetische Phantasie hat eine wichtige Waffe:
Poetische Thesen. Diese Waffe ist sorgfältig zu pflegen. Wer sie im
Streit benutzen will, muß ein guter Kämpfer sein. Im Frieden fordert sie zur
ständigen Ubung heraus. Es gibt schwache Naturen, deren Hände nach dem
ersten Schlagabtausch erlahmen.
Die Waffe der Phantasie ist unter
Menschen die einzige Waffe, deren Klinge keine blutenden Wunden schlägt
und deren Spitze niemals einen Körper tödlich durchbohrt. In der Phantasie
ihres Trägers aber ist sie eine eigenwillige Macht. Ihr Vorsprung ist
uneinholbar. Sie ist mächtig ohne Gewalt. Wer sie beherrschen will, muß
gelernt haben, sich selbst zu besiegen.
Zum Titel:
Poetische Thesen waren schon immer eine Waffe der Phantasie, auch wenn die
Realität vom Gegenteil spricht.
Streifzug durch die Zeit – Band 14
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Erstauflage
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Die ersten beiden Ausgaben bleiben
beim Team.
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Reihe
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Cimarron
bibliophil, im Prägestempel vom Autor numeriert und signiert.
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Text/handschriftl. Vermerke
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Gregori
Latsch, Cimarron-Team
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Buchblock
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DIN A5-Format,
von Hand gebunden
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Papier
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Vorsatz Bütten.
Innen Büttenqualitäten (z.B. Zanders-Zeta, gerippt) u.a. Feinpapier.
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Gestaltung/Satz/ Laserdruck
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Doris Hess,
Cimarron-Team.
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Druckgrafik
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Ralf Biskup,
Cimarron-Team
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Fotos
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Sieben (mit
Porträt des Autors aus den 70er Jahren)
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Besonderheiten
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a) Diese Ausgabe enthält alle
Balladen, Sonette und "politischen" Texte des Autors aus den 70er
Jahren, der Rest existiert nicht mehr.
b) Die dramatische Wucht der
meisten Balladen und der "politischen" Texte hätte einen Mann wie Klaus
Kinski entzückt - und ihn permanent aus der Rolle fallen lassen.
c) Dem Titel folgend trägt jedes
Exemplar ein anderes Foto - oder Grafikbild auf dem Cover.
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Preis
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Leinenausgabe 260,00 € Ganzlederausgabe, 320,00 € (incl. Mwst. und
freie Zusendung innerhalb Deutschlands)
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