Halblederausgabe
Cimarron bibliophil

SOLITÄR

Poetische Texte - 220 Seiten


Sie kam von der Venus

An einem dieser verdammten
regnerischen Tage im November,
wir lagen sicher versteckt unter
der grauen Kuppel des Nebels,
ich sage dir, an einem dieser Tage
erschien mir die Jungfrau Maria -
im Strahlenkranz ihrer Schönheit.
Sie kam von der Venus.
Mit einem Licht.

Und dieser verdammte Regen
und diese verdammte graue
Kuppel,
ich sage dir, einen Dreck
scherten sie sich um Maria.
Und auch das Licht, in dem sie erschien,
nicht einen Schimmer Hoffnung verbreitete es.



Und ihre Schönheit, ihre verdammte
nutzlose Schönheit,
weißt du, was sie erreichte?
Natürlich weißt du es,
du warst ja unter dieser
verdammten grauen Kuppel,
unter dem verdammten Regen,
an einem dieser abgeschriebenen
Tage im November,
weit weg von der Venus,
außerhalb des Lichtes jeder Erkenntnis,
vertieft in deine kleinen Träumereien.

Und keine Sekunde lang hast du
daran gezweifelt, was sie dir
erzählte.
Es klang wie nach einem Märchen.
Unbekannte hatten sie zur Venus entführt,
nun war sie zurückgekehrt,
nach zweitausend Jahren.

Warum schweigst du?
Ich höre dich kaum.
Ja, du hast recht.
Es gibt Novembertage, an denen
wir alles vergessen können,
woran wir glauben.


Freudentaumel

Welcher unbekannte Sinn
hält uns aufrecht,
läßt gebeugt uns den
schweren Gang ertragen.

Wenn er uns begleitet
durch die Tage,
fragt er nicht nach dem
Wohin.
Irgendwo im Heute bleiben
wir verbunden,
haben auch das Gestern überwunden,
gehn mit Trauer in den Morgen ein.

Welcher unbekannte Sinn
prophezeit den Schwachen
Freudentaumel.
’s macht mich lachen.
’s macht mich munter.

Gibt es noch ein Überleben.
Und in welchem Sinne gehn wir
unter.
Sternenflug

Traumvögel ziehen durch das All.
Sie tragen schwarze und weiße Gefieder.
Einmal sind sie der Tag , ein anderes Mal
die Nacht. Der Traum stützt ihre Schwingen ab.

Zurückgekehrt von einem langen Sternenflug
warten sie auf meine Fragen.

Sie sind müde und sehnen sich nach ihrem Nest.
Ihre Gefieder sind alt und grau geworden.
Was ist geschehen?

Im Sternenfeld der Milchstraße haben sie
die Zeit aus den Augen verloren,
kein Anfang und kein Ende mehr.

Wenn sie am Morgen erwachen, ziehen sie
wieder durchs All, der Traum stützt ihre
Schwingen ab.

Eines Tages werde ich wissen, woher
der Kosmos seine Träume hat.


Wie war die Lieb’ in uns so groß

Wie lange schon die alten Lieder ruhn,
die schönen Sänge, weißt du noch?
Wie gern wir uns daran erinnern, und
heimlich manche Weise summen.
Ach, Liebchen, höre mich!

Ich bin bei dir wie in den ersten Tagen,
wie pocht dein Herz so schrecklich wild!
Ich will dich jetzt für alle Zeit umarmen,
sich darauf zu besinnen, tut uns gut.

Ein Paar zu sein, das alle Zeiten überwindet,
und sich aus keiner Stunde stiehlt, und nie
vergißt, was uns verbindet, und in den
wohlig-süßen Stunden sich erfüllt, als wäre
jeder Lebensernst verschwunden, und alles Glück
der Welt in unserer Hand.

Das suchten wir, wir haben es gefunden.
Und wenn ich daran denke, wie es uns gelang,
die Lebensfreude fest an uns zu binden, ein
ganzes Leben lang…, besinn ich mich der
alten Weise: Verklungen sind die schönen
Stunden, doch immer noch gehör ich dir.
Wie war die Lieb’ in uns so groß, hielt stand
so manchem Leiden und manchem schweren Los.
Mit goldenen Worten überhäuft

Wenn du, mein Herz, betrübt
von lauten Tagen,
in dem Gesang der Stille
nach goldenen Worten suchst,
die unser kurzes Dasein überstrahlen,
verführt von einer alten Sehnsucht
nach dem Schönen, das
unerreichbar in uns ruht,
erscheint mir jenes Bild
aus fernen Tagen, auf
Schwingen unserer Träume,

vergessen ist die Trauer, von
der wir sagen, daß sie im Wesen
unserer Gedanken liegt, die
selten uns erfreuen,

dann wirst auch du, mein Herz,
verführt von einer alten Sehnsucht,
mit goldenen Worten überhäuft,
in dem Gesang der Stille
ein Sammelpunkt für
unsere Hoffnung sein.


Mit dir an einem Regentag. Im Grunewald.

Am Ende dieses weiten Stegs am See,
die dunklen Wolken deckten schon den Himmel zu,
und du im weißen Kleid, vom Regen überrascht,
so nah dem Untergang.

Ich eilte zu dir hin mit einem Sommertuch,
flatternd im Wind, du fielst mir lachend in den
Arm - und warst mir völlig unbekannt.

Wir liefen engumschlungen unter unserem Regendach
zum nächsten Baum, nicht weit vom Haus -
und warteten den Regen ab.

Das war die schönste Wartezeit - mit dir an einem
sonnenlosen Tag. Ich küßte dir den Regen vom Gesicht,
und wünschte mir, daß er ein Sturzbach wär.

Dein Kleid so leicht, dein Atem schwer, und um uns her
ein Prasseln und ein Klatschen, das kein Ende nahm.
Was war das für ein schöner Regentag!



Erinnerung an Seneca VI

Wenn wir uns unbemerkt verloren gehen,
und nicht mehr wissen, wer wir sind,
dem Spielzeug gleich, das man beliebig
in Bewegung setzt, kann eine bittere Zeit
uns trennen von der inneren Welt, in der wir
eigentlich zuhause sind.
Dann sollten wir uns überwinden, der andere
nicht mehr zu sein, der immer auch ein
Fremder ist und nie verstehen wird, was
das für uns bedeuten kann, nicht mehr wir
selbst zu sein, wo wir doch so verliebt in
unser Leben sind - und das aus einem guten,
wunderbaren Grund, den jeder anders sehen kann.

Ein Lächeln, das mich überrascht

Ihr Seitenblick, umrahmt vom langen Haar,
mit einem zärtlich-schönen Augenpaar,
das hierhin, dorthin sieht, verspieltes Augenlicht,
und Hände, die sich fortbewegen, als gäbe es
die Schwerkraft nicht, dann ineinanderliegen,
zum Glase greifen, Lippen öffnen sich, und
reden, schweigen; und dann ein Lächeln, das
mich überrascht... Ist Mona Lisa nicht Vergangenheit?
So nähert man sich in der Zeit. Wie gerne läßt
das Herz sich darauf ein. Und wenn das erste
Wort gefallen ist, sind wir nicht mehr allein.



 Sich nicht zermürben lassen

An einem dieser scheinbar letzten Tage,
wie ein vom Kampf
zermürbter Ritter fühlst du dich,
sagt die Erinnerung dir,
wie lange schon der wahre Kampf des
Lebens wütet,
und was sich alles angesammelt hat
in dieser Zeit:
Verpaßte Chancen und verfehlter Optimismus,
Lug und Betrug auf allen Seiten,
Ballast...,
der dich bedrückt in deinen Ruhetagen,
die immer auch die letzten sind.
Und wenn nach einer Weile die geschwächten Sinne
dir wieder neuen Schwung verleihen,
zeigst du der Zeit, daß auch ein alter Ritter
den letzten Kampf mit Würde überstehen kann.

 



Solitär - Band 26  
Erstauflage März 2020. Die ersten sieben numerierten Ausgaben bleibem beim Team.
Genre Poetische Texte (Auswahl) von betörender Vielfalt.
Reihe Cimarron bibliophil. Im Prägestempel vom Autor numeriert und siegniert.
Text/handschriftliche Vermerke/Foto Gregori Latsch, Cimarron-Team.
Das Porträtfoto liegt als Original in einer Transparenttasche, numeriert, signiert.
Buchumfang
(Band eins)
A5-Forman, von Hand gebunden. 220 Seiten.
Papier Vorsatz Bütten, für Druck diverse Büttenqualitäten, darunter Feinpapier.
Gestaltung/Satz/Druck Doris Hess, Cimarron-Team.
Einband Leinen- oder Ganzledergestaltung.
Wechselnde Gestaltung von Band zu Band.
Bilder Im Innenteil und auf dem Cover von Buch zu Buch wechselnde Grafiken, Fotogestaltung (Fotos immer im Original).
Besonderheiten Bei den Poemen handelt es sich um eine von Gregori Latsch getroffene Auswahl. Aus einem Volumen von ca. achtzehnhundert poetischen Texten, die in den letzten vierzig Jahren entstanden sind (überwiegend in den letzten zwanzig Jahren), war es kein Problem für den Autor, einen schönen großen Strauß mental ansprechender Poeme zusammenzustellen; jeder Titel ein Stern, der für sich steht - ein Solitär.
Preise Leinenausgabe 420.- € - Lederausgabe 500.- €
(incl. Mwst. und freie Zusendung innerhalb Deutschlands).
Resümee: Größer kann der Zauber schöner Literatur nicht sein.
Es sei denn, man verirrt sich im weiten Feld
der Cimarron-art.
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