An Gutzkow
Die Vogesen sind ein Gebirg, das ich liebe, wie
eine Mutter, ich kenne jede Bergspitze und jedes Tal und die alten
Sagen sind so originell und heimlich...
Straßburg, 1835
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Das Leben ist überhaupt etwas Schönes und
jedenfalls ist es nicht so langweilig.
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Man muß die Menschheit lieben, um in das
eigentümliche Wesen jedes einzudringen, es darf einem keiner zu
gering, keiner zu häßlich sein, erst dann kann man sie verstehen.
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Das Verhältnis zwischen Armen und Reichen ist das einzige
revolutionäre Element in der Welt.
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Es
ist mir heute einigermaßen innerlich wohl, ich zehre noch von gestern,
die Sonne war groß und warm im reinsten Himmel - und dazu hab’ ich meine
Laterne gelöscht und einen edlen Menschen an die Brust gedrückt; nämlich
einen kleinen Wirt, der aussieht wie ein betrunkenes Kaninchen, und mir
in seinem prächtigen Hause vor der Stadt ein großes elegantes Zimmer
vermietet hat. Edler Mensch! Das Haus steht nicht weit vom See, vor
meinen Fenstern die Wasserfläche und von allen Seiten die Alpen, wie
sonnenglänzendes
Gewölk.
An die Braut
Ich finde in der Menschennatur eine entsetzliche Gleichheit, in den
menschlichen Verhältnissen eine unabwendbare Gewalt, allen und keinem
verliehen. Der Einzelne nur Schaum auf der Welle, die Größe ein bloßer
Zufall, die Herrschaft des Genies ein Puppenspiel, ein lächerliches
Ringen gegen ein ehernes Gesetz, es zu erkennen das Höchste, es zu
beherrschen unmöglich. Was ist das, was in uns lügt, mordet, stiehlt?
Ich mag den Gedanken nicht weiter nachgehen. Seit ich über die
Rheinbrücke ging, bin ich wie in mir vernichtet, ein einzelnes Gefühl
taucht nicht in mir auf. Ich bin ein Automat; die Seele ist mir
genommen.
Gießen, März 1834
An die Familie
Ich will euch eine sonderbare Geschichte erzählen, die Herr J. in
den englischen Blättern gelesen, und die, wie dazu bemerkt, in den
deutschen Blättern nicht mitgeteilt werden durfte. Der Direktor des
s zu Braunschweig ist der bekannte Komponist Methfessel. Er hat
eine hübsche Frau, die dem Herzog gefällt, und ein Paar Augen, die er
gern zudrückt, und ein Paar Hände, die er gern aufmacht. Der Herzog hat
die sonderbare Manie, Madame Methfessel im Kostüm zu bewundern. Er
befindet sich daher gewöhnlich vor Anfang des Schauspiels mit ihr allein
und auf der Bühne. Nun intrigiert Methfessel gegen einen bekannten
Schauspieler, dessen Namen mir entfallen ist. Der Schauspieler will sich
rächen, er gewinnt den Maschinisten, der Maschinist zieht an einem
schönen Abend den Vorhang ein Viertelstündchen früher auf, und der
Herzog spielt mit Madame Methfessel die erste Szene. Er gerät außer
sich, zieht den Degen und ersticht den Maschinisten; der Schauspieler
hat sich geflüchtet.
Straßburg, März 1836.
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Halbleder-Buchenholzausgabe |
Blick auf die Vogesen |
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