Cimarron libris
LONGINUS lebt
GraffitiStory
Auszüge
Wie L. der Zeit auf die Schliche kam - und alles wieder
rückgängig machte. Was Longinus am liebsten mag?! In einer gottverlassenen
Kirche einen Beatles-Song hören.
Als er nach einem Stichwort für die Umschreibung des
Mißerfolges im Leben suchte, erinnerte er sich an seine Geburt.
Longinus kann die Welt nicht besser machen - und deshalb
verzweifelt er nicht.
L. beobachtete den alten Bettler, der an seinem
Graffiti-Platz schon immer saß - und nicht glauben konnte, daß die Wand hinter
ihm leer war.
Mindestens einmal in der Woche durchquerte er den
Straßentunnel - und diesmal hielt er erschrocken an. LONGINUS WAR MEIN
FREUND hatte jemand auf die Wand gesprayt.
Eine Umarmung mit Longina stand bevor… Das Mädchen war
freudestrahlend auf ihn zugelaufen - und hielt rechtzeitig inne, als sie ihren
Irrtum erkannte. Das vergrößerte Longinus‘ Schmerz.
Traurig war er nicht über seinen Zustand, einsam zu
sein. Gefühle bereiteten ihm keine Lebensqual.
Immer nur gehen, gehen, gehen… Die Stadt kann endlos
sein. Und nicht wissen, was sich ändern wird, wann es wieder erscheinen wird,
das Bild an der Wand; weitergehen, und die Unruhe wandert mit. - Longinus schloß
sein Tagebuch und steckte es in die Umhängetasche. Er hatte noch einen weiten
Weg vor sich.
Mit sich allein gelassen, traumvergessen, nicht mehr
erinnerlich der Tag, die Zeit, so eingenommen von seiner Selbstvergessenheit,
saß Longinus im DOM und hörte den Gesang der Steine, das Flüstern der Gebete -
aus allen Zeiten. Verlorene menschliche Stimmen.
Longinus hatte das kleine Buch aufgeschlagen, darin
gelesen, und es erschrocken zugeschlagen. Zaghaft öffnete er es wieder und las
noch einmal die Zeile: „Wenn aber das Ende naht, werden der Seele wie einem
Schiff die Taue gelöst, und sie wird freigelassen.“ Was geschieht mit mir,
fragte er sich, wenn der Bärtige die Taue zu meinem wirklichen Körper kappt,
werde ich wieder als Graffitibild im Straßentunnel landen? Er glaubte noch immer
an ein Wunder.
Die
Stimme belehrte sie eines Besseren. „Das ist kein visueller Spaß, den Sie hier
erleben. Es ist die bescheidene Demonstration einer Möglichkeit, das menschliche
Leben zu ignorieren – und neue Verhältnisse zu schaffen. – Und dazu gehört meine
Aufforderung an Alexander Spannagel, nie mehr wieder in dieser Stadt ein Bild an
die Wand zu malen. Geschieht dies doch, wird sein eigener Körper flach wie ein
Bildschirm und irgendwo an einem lauten und häßlichen Ort an einer Wand kleben –
bei vollem Bewußtsein, ohne sich verständigen zu können, wie das bei
GraffitiBildern üblich ist. Alle andern können sich wieder frei bewegen. Sie
alle werden das, was ich Ihnen gesagt habe, nie gehört haben, sobald Sie diesen
Ort des Zerfalls verlassen haben. Was aus Ihrem weiteren Leben wird, darüber
müssen Sie selber entscheiden.“ Die alte Fabrik füllte sich mit blendendem
Licht. Das Haupttor öffnete sich. Die strahlenförmigen Erzgewächse der
Antimoniten fielen in sich zusammen und zerrannen auf dem schmutzig-grauen
Fabrikboden. Der Bärtige lächelte und glaubte nicht daran, sein Gedächtnis an
diese Begegnung zu verlieren. Und auch seine jungen Freunde, die den Bettler in
seiner Hilflosigkeit verachteten, folgten mit jugendlichem Übermut ihrem Mentor,
Alexander Spannagel.
„Ich muß nicht mehr betteln gehen!?“ stieß der Alte
aufgeregt hervor. Sein Herz gab keine Ruhe. Es überschlug sich vor Glück.
„Nein! Außer aus Zeitvertreib, aus Lust und Laune. Darüber mußt du selber
entscheiden.“ „Auf keinen Fall“, erwiderte der Alte stolz. „Betteln muß man
aus Leidenschaft. Und wenn die Not am größten ist.“ Er sah Longinus von der
Seite an. „Wird das jemals wieder der Fall sein?“ „Ich glaube nicht“, sagte
Longinus. „Im übrigen, was tun wir eigentlich hier?“
Anmerkungen
Die (klassischen) Zitate im ersten Teil dieser
Geschichte stammen aus der Schrift Vom Erhabenen von Dionysios Longinos (1. Jhr.
n. Chr.), übersetzt und herausgegeben von Otto Schönberger, erschienen im
Philipp Reclam Verlag, Stuttgart, 1988. Longinos wollte zeigen „...auf welche
Weise man seine natürliche Anlagen entwickeln und in ihrer Größe steigern
könne.“ Und er vertraute darauf, daß „...Erhabenheit immer dort gegeben ist,
wo sich große Gesinnung so ausdrückt, daß sie unser Innerstes ergreift, und daß
ohne Wahrhaftigkeit und seelische Größe Erhabenes nicht entstehen kann.“
Was der Auslöser dieser Graffiti-Geschichte war, ist dem Autor nicht mehr
erinnerlich. Das verborgene Ich des Schreibers hatte wohl Anstoß genommen an der
bombastischen Entwicklung seiner Metropole, in der er lebt(e). Und das ist
Frankfurt am Main. Vielleicht kennt Anthos, der Schöpfer der Antimoniten,
einen Weg, der alten Kaiserstadt am Main einen Schimmer von Erhabenheit
zurückzugeben, ohne im Sündenpfuhl der Spekulantenwelt ganz zu verschwinden.
Februar 2014 - FELIX
Band 16 |
LONGINUS lebt. Teil I der in Arbeit
befindlichen LONGINUS-Trilogie. |
Reihe |
Cimarron libris Prosa. Graffiti-Story,
1. Kapitel eines in Arbeit befindlichen Romans, der unsere Sinne auf den
Kopf stellen kann. |
Erstauflage |
99 Exemplare. Die ersten sieben Nummern bleiben
beim Team. |
Autor |
FELIX. Ein Flaneur aus Frankfurt/M., kennt
jeden Winkel seiner Stadt, gehört dem Cimarron-Team seit den 1970er
Jahren an. Der Glückliche! |
Grafiken im
Druck |
Cover und Titel: Ralf Biskup, Cimarron-Team
Alle übrigen: Harald K. Hülsmann, Cimarron-Team |
GraffitiBild
(Rückseite Cover) |
Cimarron-Archiv, Frankfurt/M. |
Gestaltung/Satz/Laserdruck |
Doris Hess, Cimarron-Team |
Heft-Format |
A5, vom Buchbinder gebunden. |
Heftumfang |
56 Seiten, davon ca. 50 Seiten Text. |
Vorsatz/Druckpapier |
Unterschiedliche farbige Büttenqualitäten,
Premium-Feinpapier, Transparent- und Schmuckpapier diverser Art. Kaum
ein Heft gleicht dem anderen! |
Umschlag |
Büttenkarton in unterschiedlicher Stärke,
farblich abgestimmt auf das Druckpapier, mit farbigem Titel, Rückseite
farbiges GraffitiBild. |
Schutzumschlag |
Premium-Transparentpapier, eingeschlagen. Dazu
kommt eine Banderole aus dem gleichen Material. |
Besonderheiten |
a) Der
Mittelteil des Heftes enthält auf Büttenpapier ein eingeklebtes
Originalfoto und dazu einen vom Autor handschriftlich vermerkten Text,
Datum und Signatur. Die Fotos (s/w und color) sind von
unterschiedlicher Größe (8,5 x 8,5 bis 10,0 x 15,0 cm). Die Motive
zeigen das bunte Leben einer Metropole (Frankfurt/M.): Bettler, schöne
Frauen, Idyllen usw.; etwa jedes 3. Foto zeigt
Ariadne auf dem Panther (eine berühmt-
berüchtigte Skulptur aus dem 19. Jahrhundert), und zwar in einer jeweils
anderen Perspektive. Die Bilder stammen vom Autor und datieren aus über
vier Jahrzehnten seines (Flaneur-)Lebens in Frankfurt/M., es sind
Original-Abzüge! b) Allein
die 99 verschiedenen Bilder machen aus jeder Ausgabe ein Unikat. |
Was noch zu
sagen ist |
Daß Felix, der Frankfurter Flaneur, einen
seiner Lieblingsautoren (Longinos) in das Kalkül einer nüchternen
Begegnung mit dem abgerissenen Zauber von Graffiti-Bildern eingebracht
hat, steht außerhalb jeder Ironie eines erhabenen Textes. |
Preis |
Je Heft 79,90 € incl. Mwst. und freie
Zusendung innerhalb Deutschlands. |
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