Cimarron
libris
Ein Torso ist die Liebe
Band
14
Auszüge
Über der Stadt liegt der Dunst eines bleichen
November- Tages. Die schwangeren Nebelfelder auf dem Fluß tragen schwer
am Schmutz ihrer giftigen Substanzen. Spärlicher Sonnenschein. In der
Goethestraße steht Wolfgang am Fenster und sieht den Gleiswerkern zu,
die unserer lieben alten, gemütlichen Tram den Boden unter den Füßen
wegziehen.
Als die Gleiswerker die alten
Schienen der Tram aus den Steinen hieven, bricht der Boden unter ihnen zusammen
und verschlingt die schicken Autos, die eleganten Spaziergänger, einige
Gleiswerker und den Indianer, der mit seinem Fahrrad die Straße überqueren
wollte. Einige seiner Plastiktüten mit Brotresten, Bierflaschen, Lumpen und
Papier fliegen auf den Bürgersteig. Alles andere versinkt im Bauch der
Goethestraße. Wolfgang glaubt zu träumen. Er reibt sich die Augen. Erschüttert
wankt er zu seinem Stehpult, einem feinen Stück aus dem Hause Rosenthal, gut und
gerne 3 Mille wert. Limitierte Auflage. Behutsam benetzt er die Feder mit Tinte.
Das weiße Papier sieht ihn erwartungsvoll an. Begierig saugt es den Atem des
Dichters ein und verfärbt sich schwarz.
Er war viel zu lange schon ein Anonymus in seiner Straße.
Wenn er erst die Gegenwart im Griff hat, werden Kritikaster und andere Subjekte
staunen, was er an guten Ideen in seine neue Zeit hinübergerettet hat.
Vergessen ist der tektonische Zwischenfall und die Ignorierung seiner Person
durch die Gaffer. Der Indianer an seiner Seite hat als einziger verstanden,
welche Chancen sich der Kultur seines Landes bieten, wenn er, Wolfgang von...
den Ballast alter Träume abwirft und so schreibt, wie ihm der Schnabel gewachsen
ist. Einige Zeit später. Der Friede in der Goethestraße war
wiederhergestellt. Die Menschen hatten über die Natur gesiegt. Wolfgangs
Flanierstraße erstrahlte in neuem Glanz. Er saß mit dem Indianer beim Italiener.
Sie tranken Kaffee.
Wolfgang hatte sich schnell den Gepflogenheiten der
Zeit und dem lakonischen Stil des Indianers angepaßt. Beide trugen einen Zopf.
Sie sahen wie Brüder aus. Wolfgang hatte eines seiner alten Manuskripte
versteigern lassen. Von dem Erlös kaufte er dem Indianer schicke Hemden, Hosen
und eine schwere Lederjacke. Toll sah er aus!
“Warum
lebst du? Und deine Haare, warum sind sie so bunt? Und deine Augen, wie traurig
sie blicken! Und die Gedanken, wie leise sie sind. Du tust mir leid. Ich glaube,
du bist sehr einsam.” “Mann, was redest du für einen Quatsch! Meine Haare
sind meine Haare! Verstehst du das! Das sind Zeichen meines Lebens! Hier, sieh
dir Joy an, na, was hältst du von seinen Ohrringen, gefallen sie dir? Und unsere
Hosen, schick, gelle? Die Schuhe sind der letzte Schrei! Einsam..., daß ich
nicht lache!” “Eines Tages werdet ihr euch im Spiegel nicht mehr
wiedererkennen...” ruft der Indianer dazwischen. “He, was soll das! Willst du
uns beleidigen! Meinst du, du wärst schöner!” Der zweite Mann. Genauso bunt,
aber kleiner und von schlankem Wuchs. Der Kelte mischt sich wieder ein.
“Siehst wie ein Muttersöhnchen aus, Dichter! Was verstehst du von unseren
Zeichen! Leb’ mal mit uns, dann kriegst du mehr vom Leben ab, als dir lieb ist.”
“Hör zu, Mann!” Der Indianer stellt sich mutig vor den Kelten. Er zeigt nach
unten zu Wolfgang. “Der setzt auch Zeichen, Mann! Keine schlechten, sag ich dir!
Willst du was von seinen Zeichen hören? Kriegst du von mir gratis, als
Sondereinlage in der U-Bahn.” “Schwätz nicht so viel, Schauspieler!” Der
Kelte wendet sich brüsk ab. Der zweite Punker hat sich vorgeschlängelt. “Was
sind das für Zeichen? Laß hören!” Der Indianer wirft sich in Pose. Wenn nur
die summenden Fahrgeräusche nicht wären, denkt er. Dann beginnt er, zu
rezitieren, wobei er dem Kelten auf’s Fell gerückt ist.
Band 14 |
Ein Torso ist die Liebe |
Reihe |
Cimarron libris |
Auflage
dieser Ausgabe |
99 Exemplare (Die ersten fünf Ausgaben, Nr.
1-5, bleiben beim Team). |
Text/handschriftl.
Vermerke |
Gregori Latsch, Cimarron-Team |
Gestaltung/Satz/Laserdruck |
Doris Hess, Cimarron-Team |
Grafik zum
erotischen Langgedicht |
Dieter Konrad, Cimarron-Team |
Grafik des
Autors (1964) |
Volker Hannemann, Cimarron-Team |
Alle übrigen
Grafiken s/w und in Farbe |
Ralf Biskup, Cimarron-Team |
Textart |
Erzählung (s. Besonderheiten!) |
Heftformat |
A5, von Hand gebunden |
Heftumfang |
ca. 70 Seiten, davon ca. 60 Seiten Text |
Heftumschlag |
Schwerer Büttenkarton in verschiedener Stärke
und Farbe mit farbigem Coverbild und Titel. |
Vorsatzpapier |
Premium-Transparentpapier mit floralem Muster
bzw. 35 g/qm Papierseide mit Rosenaufdruck. |
Druckpapier |
Zanders- bzw. Hahnemühle-Bütten
und/oder Büttenfeinpapier in unterschiedlicher Farbstruktur und Stärke,
alterungsbeständig. |
Schutzumschlag |
Premium-Transparentpapier mit
Muster und Transparentbanderole. |
Besonderheiten |
a)
Der Text wird von s/w Grafiken begleitet, am Ende von einem erotischen
Motiv in Farbe. Zauberhafter kann man Literatur nicht gestalten. b)
Im Nachwort erfährt der Leser alles über die verschiedenen bereits seit
1991 herausgegebenen Versionen dieses Titels, das des Autors liebste
Geschichte ist. c)
Wahrscheinlich enthält dieses Buch die amüsanteste und frechste
erotische Geschichte, seit es erotische Geschichten gibt.
d) Der Text
ist das Anfangskapitel eines noch unveröffentlichten Romans des Autors
Gregori Latsch; es ist eine Art von Paraphrase um das Wiedererscheinen
des jungen Wolfgang von... in der mondänsten Einkaufsstraße Frankfurts
- und seine Flucht nach Weimar. e)
Eine Transparenttasche am Ende des Heftes enthält eine zeitgemäße
Farbaufnahme (10x15 cm) von der Goethestraße in Frankfurt am Main,
numeriert, signiert und datiert vom Autor. |
Preis |
Je Heft 59,90 € incl. Mwst. und freie
Zusendung innerhalb Deutschlands. |
P.S. |
Es gibt über 500.000 gebürtige Frankfurter. Und
immer noch wartet Wolfgang von..., der aus der Goethestraße, darauf, daß
man ihn ernst nimmt, und sich mit ihm beschäftigt. Das hat sein
Wiedererscheinen in der Neuzeit verdient.. |
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